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Die Geschichte der Sektion Sterzing

Es war am 1. Jänner 1972, als die Geburtsstunde für die Sektion Sterzing im Weißen Kreuz schlug. Damals trafen sich auf Anregung des damaligen Bürgermeisters Karl Oberhauser mehrere motivierte Männer, um auch im Hauptort des Wipptales eine Rettungsstelle einzurichten. Die Krankenhausverwaltung stand von Beginn an hinter diesem Vorhaben. Neben der Zentrale in Bozen sollte dies nach Meran, Bruneck, Neumarkt, Schlanders, Waidbruck, Mals und Brixen die achte Zweigstelle im Land werden. Der landesweit erste Rettungsverein war am 10. August 1965 in Bozen gegründet worden.
Ideator und treibende Kraft hinter dem Vorhaben war von Anfang an Hermann Pasquazzo aus Sterzing. Ein Vorfall im familiären Umfeld hat ihm die Wichtigkeit einer eigenen Dienststelle in Sterzing deutlich vor Augen geführt. Alle Hebel hat er in Bewegung gesetzt, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen, er hat Gespräche auf Bezirks- und Landesebene geführt und wichtige Vorarbeit geleistet. Bei der Sterzinger Gemeindeverwaltung ist Pasquazzo genauso wie in der Landeszentrale des Weißen Kreuzes in Bozen von Beginn an auf offene Ohren gestoßen. Um die Gründung verdient gemacht hat sich auch Ingenieur Josef Schäfer.
Es vergingen nicht einmal drei Monate, bis das Vorhaben schließlich in die Tat umgesetzt wurde. Am 1. März 1972 konnte die Rettungsstelle in Sterzing bereits feierlich ihrer Bestimmung übergeben werden. „Dem Weißen Kreuz von Sterzing sind bereits eine Reihe freiwilliger Helfer zugeströmt. Zugleich mit der neuen Zweigstelle wurde auch ein neuer Rettungswagen in Betrieb genommen. Dekan Falk segnete gestern die neue Rettungsstelle und das Fahrzeug“, hieß es tags darauf in der Tageszeitung „Dolomiten“. Dies alles habe der Verein zum Großteil den vielen Spenden seiner Landsleute und der Mitarbeit der freiwilligen Helfer zu verdanken. Dr. Karl Pellegrini, Präsident des Weißen Kreuzes, dankte Bürgermeister Oberhauser, der alles, was in seinen Kräften stand, getan habe, um die neue Sektion ins Leben zu rufen. Nicht minderverdient habe sich Walter Volgger gemacht, der es nicht gescheut habe, von Haus zu Haus zu gehen, um für das Weiße Kreuz zu werben und Spenden für den Ankauf von Fahrzeugen zu sammeln. Spendensammlungen wurden in den folgenden Jahren auch von den Freiwilligen und den Ehefrauen der Mitarbeiter durchgeführt. Unterstützung kam zudem vom Roten Kreuz Innsbruck, das dem Weißen Kreuz in Sterzing über Jahre in Freundschaft verbunden war.
Untergebracht war das Weiße Kreuz Sterzing im Deutschhaus im Süden der Stadt, wo im Erdgeschoss ein Aufenthaltsraum und zwei Schlafräume zur Verfügung standen. Der Sektionssitz war in den Anfangsjahren eine Männerdomäne: Frauen durften sich in den Dienststellen nach landesweiter Vorgabe nur bis 23.00 Uhr aufhalten; übernachten durften sie dort nicht.
Als erster Rettungsstellenleiter konnte Hermann Pasquazzo gewonnen werden, der bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 1986 die Rettungsstelle aufopferungsvoll und mit unermüdlichem Einsatz leitete.
Als im Jahr 1977 das neu errichtete Krankenhaus in Sterzing eröffnet wurde, bekam auch die Rettungsstelle eine neue Unterkunft mit Aufenthaltsraum, Schlafstätte, Einsatzzentrale und mehreren Garagen. Dieser Schritt trug wesentlich dazu bei, dass sowohl das Personal als auch der Fuhrpark aufgestockt werden konnten. Im Jahr 2001 konnte die im Zuge von umfangreichen Umbauarbeiten erweiterte Dienststelle eingeweiht werden. 2013 wurde eine vorübergehende Container-Unterkunft bezogen, damit der Sektionssitz saniert und den Anforderungen der Zeit angepasst werden konnte. 2015 konnte schließlich der erneuerte Sektionssitz bezogen werden.
Gleich in den Anfangsjahren zählte die Sektion 50 Mitglieder. Im Jahr 1981 verfügte sie über 58 Freiwillige und drei Festangestellte, im Jahr 1992 waren es 45 freiwillige Helfer und vier Festangestellte. 2002 waren über 50 Freiwillige, elf Festangestellte und drei Zivildiener tätig. Im Jubiläumsjahr 2022 kann das Weiße Kreuz in Sterzing auf 87 Freiwillige, zwölf Festangestellte, zwei Zivildiener und einen Sozialdiener zurückgreifen.

Der Fuhrpark bestand anfänglich aus zwei Einsatzfahrzeugen: einem VW Bus und einem Opel, finanziert mit Spendengeldern der Wipptaler Bevölkerung und der Stillen Hilfe für Südtirol. Die Kosten für den Opel beliefen sich auf 3.000.000 Lire.
Am 1. Februar 1974 konnte ein neuer Krankentransportwagen eingeweiht werden, der von der „Spar- und Vorschußkasse Brixen“ gespendet worden war. Im Hof des Krankenhauses segnete Dekan Josef Moroder das Fahrzeug. Zahlreiche Ehrengäste wohnten der Feier bei, darunter Präsident Karl Pellegrini, Landesassessorin Waltraud Gebert-Deeg, Landtagsabgeordneter Karl Oberhauser, Bürgermeister Johann Salazer, Stadtrat Adolf Girtler sowie die Kommandanten der Carabinieri und der Straßenpolizei in Sterzing. Das Krankenhaus Sterzing war durch die Primare Dr. Ernst Niederwieser und Dr. Richard Thurner vertreten, die Genossenschaftsbank durch Präsident Dr. Ritter Wilhelm von Lachmüller, Generaldirektor Josef Froschmayr und den Leiter der Filiale Sterzing Norbert Holzer. Das Weiße Kreuz Sterzing repräsentierten Dienstleiter Hermann Pasquazzo und der zweite Chauffeur Peter Siller sowie einige freiwillige Helfer, darunter Schulleiter Hans Wieland.
 
In den folgenden Jahren wurde der Fuhrpark immer weiter ausgebaut und den Anforderungen angepasst. Im Jahr 1992 standen acht Fahrzeuge, darunter ein Notarztwagen und zwei Anhänger für den Zivilschutz, zur Verfügung. 2002 waren es sechs Fahrzeuge: ein Notarztwagen, ein Rettungstransportwagen und vier Krankentransportwagen. Aktuell verfügt die Sektion über einen Notarzt- und einen Rettungswagen, drei Krankentransportwagen und zwei Multifunktionsfahrzeuge. Im Herbst 2022 kommt ein Notarzteinsatzfahrzeug dazu, das von zwei Rettungsfahrzeugen unterstützt wird.
In den ersten zwei Jahren ihres Bestehens hat die Sektion Sterzing bereits 2.500 Einsätze geleistet, davon 1.221 mit 57.591 zurückgelegten Kilometern im Gründungsjahr 1972. Nach dem interessantesten Einsatz in den ersten beiden Jahren befragt, berichtete Pasquazzo in der Tageszeitung „Dolomiten“ vom 5. Februar 1974 von einem Notfall im „Pfitschtal, von wo eine junge Mutter mit ihrem Neugeborenen knapp nach der Geburt samt Hebamme in den Krankenwagen verpackt, rasch ins Krankenhaus Sterzing eingeliefert wurde“ (1971). Krankentransporte führten die Helfer auch nach Deutschland und Jugoslawien, ja sogar bis Reggio Calabria. Ursprünglich wurden die Einsätze in gewöhnlicher Straßenkleidung absolviert, erst 1982 gab es eine eigene Dienstkleidung, die aus einem blauen Mantel als Überwurf bestand. Auf das äußere Erscheinungsbild wurde von Beginn an Wert gelegt: kein Bart, Einweihung der erneuerten Dienststelle im Jahr 2001 keine langen Haare, kein Schnurrbart – allenfalls ein Schnauzer wurde gerade noch toleriert.
Die Zahl der Einsätze stieg in den Folgejahren rapide an. 1975 scheinen 1.672 Einsätze mit 102.229 Kilometern auf. 1981 waren es 2.874 Einsätze mit 192.750 Kilometern. Im Jahr 1991 wurden bei insgesamt 3.178 Einsätzen nicht weniger als 205.153 km zurückgelegt. Im Jahr 2001 sind die Einsätze auf 4.297 angestiegen, 2021 beliefen sie sich auf insgesamt 6.654.
Große Verdienste um das Weiße Kreuz im Allgemeinen und die Sektion Sterzing im Besonderen hat sich Dr. Georg Rammlmair erworben. Von 1996 bis 2015 war er ehrenamtlicher Präsident des Landesrettungsvereins, von 2016 bis 2017 Vizepräsident. Von 1996 bis 2020 war er zudem als Sanitätsdirektor des Weißen Kreuzes tätig. Besondere Akzente hat Rammlmair im Bereich der Ausbildung und in der Verbesserung der Rettungskette gesetzt. Die Einführung der „First Responder“-Gruppen (Ersthelfer vor Ort), der Ausbau der Laienausbildung in Erster Hilfe, aber auch die Jugendarbeit waren Rammlmair stets ein Anliegen. Zudem hat er über Jahre für eine gesetzliche Verankerung der Ausbildungsstufen A, B und C gekämpft, um die Helfer des Vereins in ihrem freiwilligen Dienst rechtlich abzusichern. Seit 2010 ist er ehrenamtlich tätiger Präsident des Vereins HELI – Flugrettung Südtirol. In Sterzing hat er im Jahr 1989 gemeinsam mit Dr. Peter Bacca und Dr. Franz Ploner den Notarztdienst aufgebaut. 2018 wurde Rammlmair für seine Verdienste mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol gewürdigt.
Im Jahr 2022 kann die Sektion Sterzing nun auf ihre 50-jährige Geschichte zurückblicken, auf fünf Jahrzehnte, die von Höhen und Tiefen geprägt waren. Zahlreichen einsatzfreudigen Frauen und Männern ist es zu verdanken, dass die Sektion stets geeint blieb und zu einem starken Team zusammengewachsen ist. Wie gewohnt stehen die Mitarbeiter der Wipptaler Bevölkerung rund um die Uhr zur Seite.
Sie sind in den Bereichen Rettungsdienst (inklusive Hintergrunddienst), Krankentransport, Jugendgruppe, Notfallseelsorge, Einsatznachsorge (Peers), Zivilschutz, Pistenrettung, interne und externe Ausbildung sowie Notfalldarstellung aktiv.